Nordrhein-Westfalen zählt auch 2024 zu den Bundesländern mit überdurchschnittlich hoher Lebenszufriedenheit. Trotz wirtschaftlicher Herausforderungen, struktureller Probleme im Ruhrgebiet und einer vergleichsweise hohen Armutsgefährdung berichten die Menschen von einem hohen Maß an Zufriedenheit – besonders im Münsterland, Westfalen und in der Region um Düsseldorf. NRW zeigt eindrucksvoll, wie stark „objektive Fakten“ und subjektives Wohlbefinden auseinanderklaffen können.
Subjektive
Lebenszufriedenheit
Rang 4 (von 16)
Objektive
Lebensqualität
Rang 12 (von 16)
Nordrhein-Westfalen hat sich 2024 von den negativen Auswirkungen der Corona-Krise erholt. Die Lebenszufriedenheit der Menschen erreicht wieder das Niveau von 2019, dem Jahr vor der Pandemie, und liegt damit im Durchschnitt auf dem gleichen Stand wie vor Corona. Mit 7,17 Punkten belegt Nordrhein-Westfalen im Jahr 2024 den vierten Platz im Bundesländer-Ranking – eine Verbesserung um eine Position gegenüber dem Vorjahr. Vor NRW liegen nur Hamburg (7,38 Punkte), Bayern und Schleswig-Holstein (beide 7,23 Punkte). Auf Platz fünf folgt Rheinland-Pfalz mit 7,11 Punkten. Im Vergleich zu 2023 ist die Lebenszufriedenheit in NRW um 0,17 Punkte gestiegen, was im Gegensatz zur nahezu stagnierenden Entwicklung des Vorjahres (+0,02 Punkte) als erfreuliche Entwicklung zu werten ist (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Allgemeine Lebenszufriedenheit in Nordrhein-Westfalen 2015 bis 2024
Im Vergleich zum bundesweiten Durchschnitt zählt Nordrhein-Westfalen 2024 zu den Ländern mit überdurchschnittlichem Wohlbefinden. Der Vorsprung gegenüber dem gesamtdeutschen Mittelwert beträgt 0,11 Punkte und ist damit etwas größer als im Vorjahr (0,08 Punkte). Vor der Corona-Pandemie lag NRW noch nahezu auf dem gesamtdeutschen Durchschnitt, was zeigt, dass das Land in den letzten Jahren kontinuierliche Fortschritte gemacht hat. Diese Entwicklung spiegelt sich auch im alle drei Jahre erscheinenden NRW-Kommunalranking des Instituts der Deutschen Wirtschaft wider. Das IW erfasst verschiedene objektive Indikatoren, um – ähnlich wie in unserer Untersuchung – ein Lebensqualitäts-Ranking für die Gemeinden in Nordrhein-Westfalen zu erstellen. Die Kommunen im Münsterland schneiden dabei am besten ab, gefolgt von der Region rund um Düsseldorf sowie einigen mittelgroßen Städten in Westfalen (z. B. Gütersloh). Der Bezirk Nordrhein-Köln liegt leicht darunter, da einige Gemeinden zwischen Köln und Aachen mit strukturellen Schwächen zu kämpfen haben. Besonders schlecht schneidet weiterhin das Ruhrgebiet ab, darunter Städte wie Oberhausen und Duisburg.
Familienzufriedenheit und Arbeitszufriedenheit überdurchschnittlich
Die Bereichszufriedenheiten bewegen sich in Nordrhein-Westfalen um den gesamtdeutschen Durchschnitt (Abbildung 2). Die Zufriedenheit mit dem eigenen Familienleben ist mit 7,57 Punkten leicht höher, was am überdurchschnittlichen Anteil an Familien mit Kindern liegt. Gerade in den größeren Städten im Ruhrgebiet finden sich noch Familien mit zwei oder mehr Kindern und nur wenige Alleinlebende. Familien mit Kindern berichten von einer deutlich höheren Familienzufriedenheit als Alleinlebende oder Paare.
Die Einkommenszufriedenheit ist in NRW mit 6,79 Punkten nur leicht geringer als im gesamtdeutschen Durchschnitt, was in dieser Höhe eher überraschend ist. Denn 11,1 Prozent und damit mehr als jeder Zehnte erhält Leistungen für Arbeitssuchende aus dem SGB II (Arbeitslosigkeit, Aufstocker etc.). Außerdem ist fast jeder Fünfte von Armut bedroht, verdient also weniger als 60 Prozent des regionalen Durchschnittseinkommens. Arbeitssuchende und Geringverdiener sind in der Regel mit ihrem Einkommen sehr unzufrieden. Ein kleiner Trost sind die niedrigen Mieten in vielen Städten. Zwar sind die Gehälter oft niedrig, aber auch die Miet- und Immobilienpreise bleiben vergleichsweise erschwinglich.
Abbildung 2: Bereichszufriedenheit in Nordrhein-Westfalen
Nordrhein-Westfalen spiegelt in vielerlei Hinsicht das Gesamtbild Deutschlands wider. Es vereint ländliche Gebiete im Münsterland und Westfalen mit urbanen Metropolen sowie mittelgroßen und Universitätsstädten. Der Süden des Bundeslandes ist stärker katholisch-rheinländisch geprägt, der Norden und Nordosten eher evangelisch. Zudem gibt es in einigen Städten bedeutende migrantische Gemeinschaften. Bei der objektiv gemessenen Lebensqualität, etwa in Bezug auf Kaufkraft und Gesundheitsversorgung, rangiert NRW im unteren Mittelfeld (Platz 12): In weiten Teilen des Landes sind die Einkommen unterdurchschnittlich, die Arbeitslosenquote sowie soziale Ungleichheiten teils hoch. Auch die Kriminalitätsrate liegt über dem Durchschnitt, wobei insbesondere im westlichen Landesteil Wohnungseinbrüche ein Problem darstellen.
Trotz dieser Herausforderungen sind die Menschen in Nordrhein-Westfalen überraschend zufrieden (Platz 4) – deutlich mehr, als es die objektiven Lebensumstände vermuten lassen. Nordrhein-Westfalen gilt daher als „Overperformer“ in Sachen Lebenszufriedenheit. Die Gründe dafür sind je nach Region unterschiedlich: In Münster prägt das lebendige Studentenleben die Atmosphäre, in Westfalen die ländliche Idylle und in Duisburg findet man viele zufriedene Großfamilien. Während sich der Düsseldorfer auf die nächste Vernissage freut, feiert der Kölner den Karneval und in Dortmund fiebert man mit dem BVB. Im Rheinland prägt die "rheinische Frohnatur" das Lebensgefühl, im Münsterland die Gemütlichkeit.
Abbildung 3: Das Ruhrgebiet ist mit Abstand am unzufriedensten
Lebenzufriedenheit im Durchschnitt in Nordrhein-Westfalen 2024: 7,17
Nordrhein-Westfalen ist ein äußerst vielfältiges Bundesland, doch in Bezug auf die Lebenszufriedenheit zeigt sich ein bemerkenswert einheitliches Bild (siehe Abbildung 3). Besonders positiv sticht das Münsterland hervor, das bereits 2022 im Regionen-Ranking den ersten Platz belegte. Auch 2024 gehört die Lebenszufriedenheit der Münsterländer mit 7,25 Punkten zu den höchsten in NRW. Der deutliche Vorsprung aus 2022 war jedoch wahrscheinlich ein statistischer Ausreißer. Auf ähnlichem Niveau liegen die Regionen Nordrhein-Düsseldorf (7,25 Punkte) und Westfalen (7,22 Punkte), während Nordrhein-Köln mit 7,17 Punkten knapp dahinter folgt. Lediglich das Ruhrgebiet, das sich von Duisburg bis Dortmund erstreckt, weist mit 6,90 Punkten eine deutlich geringere Zufriedenheit auf.
Im deutschlandweiten Vergleich gehören die Menschen im Ruhrgebiet jedoch nicht zu den unglücklichsten, sondern bewegen sich im unteren Mittelfeld. Unser Städteranking 2024 zeigte beispielsweise, dass Städte wie Duisburg, Dortmund oder Essen oft unterschätzt werden und das Wohlbefinden ihrer Bewohner im städtischen Vergleich sogar Plätze im oberen Mittelfeld erreichen kann.
Nordrhein-Westfalen bleibt ein faszinierendes Beispiel für die komplexen Zusammenhänge zwischen objektiven Lebensbedingungen und subjektivem Wohlbefinden. Trotz wirtschaftlicher Herausforderungen, regionaler Ungleichheiten und sozialer Probleme ist die Lebenszufriedenheit im Land bemerkenswert hoch. Offenbar finden die Menschen in NRW in den kulturellen und regionalen Besonderheiten ihrer Heimat eine Stabilität und Zufriedenheit, die über ökonomische Schwierigkeiten hinweghelfen. Mit Platz vier im bundesweiten Ranking zeigt NRW, dass Glück nicht allein von Einkommen oder Arbeitslosenquoten abhängt, sondern auch von regionalen Identitäten und Lebensstilen.
Stärken | Nordrhein- Westfalen |
Deutsch- land |
---|---|---|
Infrastruktur Autobahnanbindunga Durchschnittliche Pkw-Fahrtzeit zur nächsten BAB-Anschlussstelle in Minuten, 2021 |
11 | 16 |
Bildung Schulabbrecherquoteb Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss an allen Schulab-gängern in % |
6,25 | 6,85 |
Demografie Anteil junge Erwachsenec Anteil der Einwohner von 18 bis unter 25 Jahren an den Einwohnern in % |
7,6 | 7,3 |
Wohnsituation Wohnungsmietend Durchschnittsmiete pro qm, 2024 |
7,5 | 10,3 |
Schwächen | Nordrhein- Westfalen |
Deutsch- land |
---|---|---|
Sicherheit Wohnungseinbrüchee Wohnungseinbrüche mit Diebstahl je 1.000 Haushalte, 2022 |
27,0 |
15,9 |
Sozialleistungen SGBII-Quotef Empfängerquoten von Leistungen an Grundsicherung für Arbeitssuchende in % der Bevölkerung von 0 Jahren bis zur Rentenaltersgrenze, 2024 |
11,1 |
8,0 |
Wohlstand Öffentliche Schuldeng Schulden der Länder und Gemeinden/Gemeindeverbände in Euro je Einwohner, 2023 |
12.905 |
8.867 |
Ungleichheit Armutsgefährdungsquoteh Anteil der Personen mit einem Äquivalenzeinkommen von weniger als 60 % des Medians der Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung in Hauptwohnsitzhaushalten in %, 2022 |
19,5 |
16,7 |
a Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. b INSM Bildungsmonitor 2023. c Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. d kleinanzeigen.de. e Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalitätsstatistik. f www.sozialpolitik-aktuell.de. g Statistisches Bundesamt. h Statistische Ämter des Bundes und der Länder.