Erstmals seit 2020 liegt die Lebenszufriedenheit in Baden-Württemberg 2024 wieder über dem bundesdeutschen Durchschnitt – besonders in Südbaden sind die Menschen erfreulich glücklich. In den vergangenen Jahren war das Bundesland ins Mittelfeld abgerutscht. Angesichts objektiver Indikatoren wie hoher Einkommen und starker Wirtschaftskraft sollte Baden-Württemberg eigentlich noch glücklicher sein. Doch die nur mittelmäßige Zufriedenheit hat ihre Gründe.
Subjektive
Lebenszufriedenheit
Rang 6 (von 16)
Objektive
Lebensqualität
Rang 2 (von 16)
Im Jahr 2024 kehrt die Lebenszufriedenheit der Baden-Württemberger wieder »zu den guten alten Zeiten« zurück. Im Vergleich der Bundesländer belegen sie den 6. Platz (2023: Platz 9). Das durchschnittliche Wohlbefinden verbessert sich von 6,88 auf 7,10 Punkte und nähert sich damit dem Vor-Corona-Niveau von 7,21 Punkten an (siehe Abbildung 1). Zudem liegt die Lebenszufriedenheit nun 0,04 Punkte über dem gesamtdeutschen Durchschnitt (7,06 Punkte). Vor der Corona-Pandemie waren die Baden-Württemberger stets zufriedener als der Rest der Bundesrepublik, doch während der Pandemie fielen sie unter den Bundesdurchschnitt. Diese Phase war enttäuschend, doch sie dürfte nun zu Ende sein.
Angesichts objektiver Indikatoren wie Einkommen und Umweltqualität sollte Baden-Württemberg eigentlich zu den glücklichsten Bundesländern zählen, doch das Land gilt als ein »Underperformer«. Mit einem durchschnittlichen jährlichen verfügbaren Einkommen von rund 26.000 Euro ist Baden-Württemberg nach Bayern das zweitwohlhabendste Bundesland. Diese Wohlstandslage spiegelt sich auch in unserem Lebensqualitäts-Ranking wider, wo der Südwesten ebenfalls hinter Bayern den 2. Platz belegt.
Abbildung 1: Allgemeine Lebenszufriedenheit in Baden-Württemberg 2015 bis 2024
Der beschwerliche Erholungsprozess der Lebenszufriedenheit nach der Corona-Pandemie in Baden-Württemberg war unerwartet. Man hatte, ähnlich wie in Bayern, eine schnelle Erholung erwartet. Denn beide Bundesländer weisen eine ähnliche Wirtschaftsstruktur, hohe Kaufkraft und niedrige Arbeitslosenquote auf (siehe Stärken/Schwächen). Nach dem Ende der meisten Corona-Maßnahmen hätten die Baden-Württemberger ihr Einkommen wieder verstärkt für Konsum, Reisen und Feiern nutzen können („Konsumeffekt“).
Einkommenszufriedenheit unterdurchschnittlich
Erklärungen für die vergleichsweise geringe Lebenszufriedenheit lassen sich in den Bereichszufriedenheiten finden (Abbildung 2). Obwohl das Einkommen und das Vermögen der Baden-Württemberger hoch sind, sind sie gerade damit besonders unzufrieden. Mit 6,81 Punkten liegt die Einkommenszufriedenheit 0,20 Punkte unter dem Bundesdurchschnitt und auf ähnlichem Niveau wie im deutlich ärmeren Niedersachsen (6,64 Punkte). Diese Unzufriedenheit drückt auch die allgemeine Lebenszufriedenheit. Hohe Lebenshaltungskosten, besonders bei Mieten (11,90 Euro/m², 1,60 Euro über dem Durchschnitt), sowie höhere Energiepreise tragen dazu bei. Eine Auswertung des Instituts der Deutschen Wirtschaft zeigt, dass das Leben – anders als in vielen anderen Bundesländern – auch außerhalb der Städte in Baden-Württemberg teuer ist, etwa entlang der Schweizer Grenze oder am Bodensee. In Bayern gibt es hingegen Regionen, wo das Leben günstiger ist und die Einkommen dennoch hoch bleiben (z.B. Oberpfalz, Niederbayern).
Die Lebenszufriedenheit der Baden-Württemberger wird aber auch durch andere Faktoren getrübt. In unserer Sonderumfrage zu den Städten beklagten z.B. viele Einwohner in Stuttgart ein fehlendes Zusammengehörigkeitsgefühl und ein mangelndes Sicherheitsempfinden. Zudem sinkt in einigen Regionen die wirtschaftliche Dynamik, die Gründungsintensität hat spürbar abgenommen (siehe Stärken/Schwächen). Die Angst geht um, dass der kommende Strukturwandel hin zu Elektromobilität und erneuerbaren Energien nicht gut verkraftet wird.
Auf der anderen Seite überrascht die Zufriedenheit mit der Gesundheit in Baden-Württemberg. Sie liegt im Jahr 2024 mit 7,07 Punkten knapp oberhalb des bundesdeutschen Durchschnitts und spricht gegen die objektiv beobachtbaren Indikatoren: Die Krankenhausbetten- und Ärztedichte ist gering. Auf 100.000 Einwohner kommen im Jahr 2022 im Südwesten 478 Betten (Ø Deutschland: 573,3). Das bedeutet besonders lange Wartezeiten auf Operationen.
Abbildung 2: Bereichszufriedenheiten in Baden-Württemberg
Eine weitere Erklärung für die Diskrepanz zwischen Lebensqualität und Lebenszufriedenheit in Baden-Württemberg liegt in der ungleichen geografischen Verteilung des Wohlbefindens. Während der Norden eher industriell geprägt ist, dominiert im Süden Landwirtschaft und Tourismus. Rund um Stuttgart steigert ein großer Automobilhersteller den Wohlstand, während im Südwesten viele kleine und mittelständische Unternehmen, darunter zahlreiche „Hidden Champions“, zum hohen Lebensstandard beitragen. Diese regionalen Unterschiede spiegeln sich auch in der Lebenszufriedenheit wider (siehe Abbildung 3): Die Südbadener sind mit 7,20 Punkten deutlich zufriedener als die Nordbadener (6,82) und Württemberger (Süd: 6,98; Nord: 7,12). Besonders in Mannheim und Karlsruhe ist die Zufriedenheit niedrig, wobei Karlsruhe im Städtevergleich sogar den vorletzten Platz belegte. Im südbadischen Raum herrscht hingegen seit Jahren eine höhere Zufriedenheit, was auf die Kombination von landschaftlichen Reizen (z.B. Südschwarzwald), attraktiven Städten wie Freiburg und hohem Wohlstand zurückzuführen sein könnte.
Abbildung 3: Südbaden am zufriedensten, Nordbaden am unzufriedensten
Lebenzufriedenheit im Durchschnitt in Baden-Württemberg 2024: 7,10
Dennoch bietet Baden-Württemberg eine hohe Lebensqualität, besonders in Südbaden, wo viele Bewohner hochzufrieden sind. Das Land bleibt wohlhabend, und zahlreiche mittelständische Unternehmen bilden ein starkes Rückgrat der Wirtschaft. In vielen kleineren Orten lebt noch der Geist des „alten Westens“ weiter: Eine starke Vereinskultur und geringe Ungleichheit prägen das Bild. Die schöne Landschaft und zahlreiche touristische Regionen machen das „Ländle“ zusätzlich attraktiv. Der sechste Platz im Glücksranking und ein Glücksniveau über dem bundesweiten Durchschnitt sind daher nur folgerichtig.
Stärken | Baden- Württemberg |
Deutsch- land |
---|---|---|
Ungleichheit | ||
Armutsgefährdungsquotea Anteil der Personen mit einem Äquivalenzeinkommen von weniger als 60% des Medians der Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung in Hauptwohnsitzhaushalten in %, 2022 |
13,6 | 16,7 |
Wirtschaftskraft | ||
BIP je Beschäftigtemb BIP je Erwerbstätigen in Euro, 2023 |
95.399 | 89.721 |
Sicherheit | ||
Straftatenc Erfasste Straftaten je 100.000 Einwohner, 2022 |
4.944 | 6.700 |
Arbeitsmarkt | ||
Arbeitslosenquoted Anteil Arbeitslose an Erwerbspersonen in %, 2024 |
4,1 | 5,8 |
Unterbeschäftigungsquoted Anteil Unterbeschäftigter an Erwerbspersonen in %, 2024 |
5,4 | 7,5 |
Sozialleistungen | ||
Anteil Bedarfsgemeinschaftene Personen in Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Einwohner, 2022 |
41 | 65 |
Schwächen | Baden- Württemberg |
Deutsch- land |
---|---|---|
Gesundheitsversorgung | ||
Krankenhausbettenf Anzahl Krankenhausbetten je 100.000 Einwohner, 2022 |
478 | 573,3 |
Wohnungssituation | ||
Wohnungsmieteng Durchschnittsmiete pro qm, 2024 |
11,90 | 10,31 |
Wirtschaftskraft | ||
Gründungsintensitäth Anzahl der gewerblichen Existenzgründungen je 10.000 Erwerbsfähige |
40,3 | 46,7 |
a,c Statistische Ämter des Bundes und der Länder. b Statistisches Bundesamt. d Bundesagentur für Arbeit. e Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. f Gesundheitsberichterstattung des Bundes. g kleinanzeigen.de. h Gründungsstatistik des IfM Bonn.