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In Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg

Familie / Freunde

Freunde finden und treffen

»Reich sind nur die, die wahre Freunde haben«, lautet ein Sprichwort. Regelmäßig gepflegte Freundschaften bereichern unser Lebensglück tatsächlich. In der Pandemie waren es die Kontaktbeschränkungen, welche die Lebenszufriedenheit schwer beeinträchtigt haben. Worauf kommt es bei der Freundschaft an und können Social Media Follower echte Treffen mit Freunden ersetzen?

Jeder Mensch braucht Ressourcen, um gut durchs Leben zu kommen. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu nennt drei Sorten von Kapital: Neben dem ökonomischen und kulturellen benötigen wir auch soziales Kapital. Bourdieu definiert es als »Ressourcen, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen«, sei es als Mitglied einer Familie, eines Freundeskreises oder Vereins. Genau wie die Summe auf dem Bankkonto oder das Wissen über Kunst und Geschichte kann auch das soziale Kapital angesammelt werden, und wie bei den anderen Kapitalformen gibt es dabei Ungleichheiten. Wessen Eltern ein großes Netzwerk gepflegt haben, der wird wahrscheinlich auch einen Teil davon übernehmen.

Viele Studien zeigen die zahlreichen positiven Effekte eines hohen sozialen Kapitals. Wer viele Freunde hat, verfügt im Schnitt über eine bessere Gesundheit, mehr Lebenszufriedenheit und ein höheres Vertrauen in seine Mitmenschen. Dabei verstärken sich diese Effekte gegenseitig: Ein gutes soziales Netzwerk macht zufriedener. Und wer zufriedener ist, könnte auch motivierter sein, dieses Netzwerk auszubauen und zu pflegen.

Für die Lebenszufriedenheit ist besonders die Qualität der Beziehungen entscheidend. Einige gute, enge Freunde, die man mehrmals im Monat sieht, sind besser als hundert Follower auf Facebook. Gegen Einsamkeit hilft schon ein wenig Smalltalk, aber für eine hohe Lebenszufriedenheit braucht es auch tiefere Beziehungen. Besonders die Zeit, die man zusammen verbringt, schweißt zusammen und fördert das Lebensglück.

Die schönste Zeit verbringen wir mit Freunden, am wenigsten gefällt uns die Zeit mit unseren Vorgesetzten

Abbildung 1: Zeit mit Freunden schafft das höchste Glücksempfinden

Auf einer Skala zwischen 0 und 10 bringt die Zeit mit Freunden mit durchschnittlich 6,81 Punkten am meisten Glück. Menschen, die allein sind, haben mit 4,77 Punkten das geringste Glücksempfinden. Amüsant ist, dass offenbar die verbrachte Zeit mit Freunden glücksbringender ist als die Zeit mit dem eigenen Partner (6,19 Punkte).

Anmerkung: Glücksempfinden: Skala geht von 0 (= macht mich gar nicht glücklich) bis 10 (= macht mich völlig glücklich). Siehe auch die Box Ein Tagebuch über das eigene Glück führen – die »Day Reconstruction Method«.

Quelle: Kahneman et al. 2004.

Das Glück, das wir durch Kontakte zu anderen Menschen empfinden, hängt natürlich stark davon ab, mit wem wir uns treffen. (Abbildung 1). Das Zusammensein mit Vorgesetzten wird demnach im Allgemeinen als am wenigsten glücksbringend empfunden, das mit Freunden bringt dagegen am meisten. Wäre unser Wohlbefinden nur vom sozialen Kapital abhängig, dann sollten wir am besten den Job schmeißen und nur noch Zeit mit Freunden verbringen. Aber da gibt es ja auch noch das ökonomische Kapital, das ebenfalls einen positiven Effekt auf die Lebenszufriedenheit hat. Schließlich können wir uns damit das Fahrrad kaufen, das wir für die gemeinsame Fahrradtour mit Freunden benötigen.

Ein Tagebuch über das eigene Glück führen – die »Day Reconstruction Method«

Die in Abbildung 1 vorgestellten Ergebnisse beruhen auf der so genannten »Day Reconstruction Method« von Daniel Kahneman und Alan Krueger. Dabei soll man am Ende eines typischen Alltags Tagebuch über die Ereignisse und Tätigkeiten des Tages führen und dabei auf einer Skala von 0 bis 10 (in der Originalstudie von 0 bis 6) angeben, wie glücklich man sich währenddessen gefühlt hat. Außerdem wird gefragt, wie lange man diesen Tätigkeiten nachgegangen ist. Durch das zeitnahe Nachdenken über den Tag (zum Beispiel am Abend auf der Couch) sind die Ereignisse noch frisch und die Erinnerungen wenig verzerrt. Das folgende Glückstagebuch eines Mitarbeiters des SKL Glücksatlas gibt Einblicke in seinen Tag vom 12.10.2022.

  Glücksempfinden
(Skala 0 bis 6)
Anzahl Stunden
am Tag
Aufstehen, Frühstücken, Pendeln zur Arbeit 2 1,5
Zeit mit Kollegen (inkl. Mittagspause) 5 3,5

Zeit mit Vorgesetztem

4 0,5

Alleine für sich arbeiten

3 4

Pendeln nach Hause

3 0,5

Zeit mit dem Partner

5 3

Sport

4 1

Kochen, zu Abend essen

3 1

Fernsehen schauen

3 1
Lesen, für das Bett richten 4 1

Also lieber die Zeit, die man mit den Freunden hat, sinnvoll nutzen. Zusammensitzen, während jeder auf seinem Handy Tiktok schaut, ist weniger glücksbringend als eine Aktivität, etwa gemeinsames Wandern, Kochen oder Musizieren. Diese Aktivitäten sorgen für Flow, also ein kurzfristiges Glücksempfinden, aber auch für Grow, eine langfristige Veränderung.

Abbildung 2: Kontaktverbote in der Corona-Pandemie haben die Freizeitzufriedenheit stark absinken lassen

In der Corona-Pandemie sind die sozialen Kontakte – insbesondere mit Freunden – stark zurückgegangen. Das führte auch zu einem beispiellosen Einbruch der Zufriedenheit mit dem eigenen Freizeitleben. Mit durchschnittlich 5,0 Punkten war die Freizeitzufriedenheit im Jahr 2021 historisch niedrig.

Anmerkung: Durchschnittliche allgemeine Freizeitzufriedenheit (0 = ganz und gar nicht zufrieden bis 10 = völlig zufrieden).

Quelle: Sozio-ökonomisches Panel 1984 bis 2020, Glücksatlas-Datenbank 2021 bis 2022.

Aber besonders diese Aktivitäten waren in der Corona-Pandemie schwierig. Dementsprechend ging die Zufriedenheit mit der Freizeit in dieser Periode stark zurück (Abbildung 2). Die Kontaktbeschränkungen während der Lockdowns verhinderten Ausflüge, Sport und den Besuche von Kulturveranstaltungen und Restaurants. Alles Aktivitäten, die gerne mit Freunden unternommen werden. Zum Glück hat sich die Freizeit-Zufriedenheit 2022 mit dem Ende der Lockdowns wieder einigermaßen erholt.

Soziale Medien schützen nur vor Einsamkeit, wenn sie aktiv genutzt werden

Sind die sozialen Medien ein Ersatz für das konkrete Zusammensein mit Freunden? Fleißig Bilder hin- und herzuschicken, unter Posts zu kommentieren und andere Arten dieser Interaktionen geben das Gefühl, in Kontakt zu sein. Aber ein Äquivalent zu analogen Treffen können Instagram und Co. nicht bilden. Studien von vor der Pandemie zeichnen ein differenziertes Bild von der Nutzung sozialer Medien: Die aktive Nutzung, also das Teilen von Inhalten mit Freunden, hat tatsächlich einen positiven Effekt auf das Wohlbefinden. Er bleibt aber kleiner als der Effekt eines Treffens im nicht-virtuellen Raum. Soziale Medien können sogar einen negativen Effekt haben, wenn passiv durch die Timelines und Inhalte gescrollt wird. Auch der ständige Vergleich mit den geposteten Highlights im Leben der anderen kann frustrieren. Warum bin ich nicht so schön wie diese Influencerin? Warum liege ich nicht im 6-Sterne-Resort auf Bali? Dabei werden eben keine Beziehungen geknüpft und die Verbindung bleibt sehr oberflächlich.

Isolation führt zur Lethargie und Depressionen – und zu noch schlimmerer Isolation

Besonders Menschen, die auch vor der Pandemie ein dünnes soziales Netz hatten, wurden von den Lockdowns hart getroffen. Die Treffen mit Freunden, Familie, aber auch die alltäglichen Begegnungen, haben einen positiven Effekt auf die Lebenszufriedenheit – wenn sie vollständig ausbleiben, kann das gravierende Folgen haben. Der Mensch ist ein soziales Wesen, bekanntlich können schon Babys nicht ohne emotionale Zuwendung überleben.

Von unserem Beziehungsstatus geht eine erhebliche Glückswirkung aus. Deshalb sind Ratgeber für Liebe und Partnerschaft so gefragt. Auch die Glücksforschung hat dazu viel zu sagen: Zweisamkeit hebt das Glück. Der „Setpoint-Effekt“ trübt leider die Freude, denn nach einigen Jahren kehren wir wieder auf das ursprüngliche Lebenszufriedenheitsniveau zurück.

Bei Erwachsenen kann diese Isolation zu Lethargie und Depression führen. In einer Studie mit Gefängnisinsassen, die isoliert untergebracht worden waren, zeigte das der amerikanische Psychologe Craig Haney: Viele der Probanden hatten nach Jahren ohne wirklichen engen Kontakt zu anderen Menschen die Fähigkeit verloren, ihr Leben selbstständig zu organisieren.

Haney bemerkte auch ein Zweifeln an der eigenen Identität und ein deutlich erhöhtes Risiko für mentale Krankheiten. In der Corona-Pandemie war die Isolation natürlich nicht ganz so extrem, die allermeisten hielten den Kontakt zu einigen Personen. Dennoch waren bei den „Einsamkeits-Risikogruppen“ größere Einbußen bei der Lebenszufriedenheit zu sehen. Ihr sowieso schon geringes Sozialkapital schrumpfte.

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